Berichterstattung über spezielle Aktionen

Heuer jährte sich das berühmte Etappenrennen Giro d´Italia zum 100sten mal: Seit 1909 messen sich Rennradfahrer drei Wochen lang kreuz und quer durch Italien und weil durch die Weltkriege ein paar Jahrgänge ausfielen wurde der Mai 2017 zum runden Fest des Radsports in Italien.
Da war eine besondere Streckenführung gefragt und die Veranstalter ließen sich nicht lumpen – 3.609,1 km und in 21 Etappen, meist mehr als genug Höhenmeter – in der Königsetappe alleine rund 6000.
Ein Team von herausragenden Tretrollerfahrern dachte sich schon bei der 100. Tour de France im Jahr 2013, dass was mit dem Rennrad geht auch mit dem Tretroller möglich sein muss – jeweils am Tag zuvor.
Nach der Tour hieß es immer wieder “nie wieder”, aber mit dem Abstand der Zeit verblasste die Erinnerung an die Schmerzen und schon im Herbst 2016 begannen intensive Vorbereitung auf die noch viel größere Herausforderung: kickitaly2017. Nachdem der Giro 2017 die größere sportliche Challenge war, musste alles viel professioneller vorbereitet, geplant und begleitet werden. Dass alle sieben Fahrer in Mailand ankommen würde allgemein bezweifelt. Heute kann man sagen – dass alle es mit vielen Hochs und Tiefs geschafft haben und dass diese gewaltige Leistung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann und damit eine Messlatte für die Ewigkeit ist.

Also Ehre, wem Ehre gebührt und Gratulation an die Fahrer und Helden:
Václav Liška, Alpo Kuusisto, Jaromír Odvárka, Jakub Kopecký, Michal Kulka, Tomáš Pelc, Honza Vlášek.
Möglich wurde die Leistung nur durch ein perfektes Support Team, die das Camp Tag für Tag verlegt haben und auch auf der Etappe für die Fahrer sorgten und vor allem durch gute Stimmung immer wieder motivierten.

kickitaly2017

Youtubekanal von kickitaly2017

 

Team Austria bei 9,44% des Giro d´Italia
Diese Aktion zu versäumen hätte uns ewig geschmerzt und obwohl es für uns zeitlich schwierig war, entschieden wir uns die Etappen 14 und 15 zu rollen. Zuerst hatten wir Schwierigkeiten einen Fahrer oder Fahrerin für unser Begleitfahrzeug zu finden, aber diese Aufgabe übernahm dann Georg Iwaschko spontan und perfekt. Durch einen Bedienfehler des Navis vermieden wir am Weg zum Start alle Mautstraßen und fuhren so über die Schweiz und St. Moritz und kamen drei Stunden später an, als geplant. Dadurch fanden wir das Camp nicht und übernachteten neben der Straße.

Etappe #14: Castellania nach Oropa 140km 1195hm
Die Theorie war, dass wir unsere Freunde sicher am Start in Castellania treffen werden, dem Geburtsort von Fausto Coppi. Es ist ein winziges Nest, das in Erinnerung des großen Sohns lebt und an dem man eigentlich niemanden übersehen kann. Was wir nicht wussten war, dass die Tretrollerfahrer jeweils am Kilometer null starten – also nach der neutralisierten Phase. Diese Information erreichte uns – nur leider lange nach deren Start – egal Team Austria geht volle Kanne auf Verfolgungsjagd. Etwas hektisch aber durch die landschaftlich wunderbaren Ausläufer der Toskana. Zum Glück hatten wir die Etappe als Strecke im Garmin. Es gab ein paar kleine Komplikationen aber nach etwas mehr als zwei Stunden sahen wir das kick italy team an einem idyllischen Waldstück rasten. Was für eine Freude!
Die 14. Etappe Castellania nach Oropa war als wellig eingestuft und mit 131 Wertungskilometern nicht ganz so lang. Nach den 10km der neutralisierten Phase bergab, die wir noch extra absolvierten ging es stetig leicht bergauf, allerdings mit einem leichten Rückenwind. Je näher wir an Biella kamen desto mehr verdunkelt sich der Himmel um in der Stadt in einem heftigen Regenguss auf uns herunter zu prasseln. Die Kreisverkehre verwandelte sich in Seen, damit auch die Schuhe richtig gut durchnässt werden. Das Finale hinauf zum Kloster nach Oropa war noch eine lange ernstzunehmende Steigung aber als Belohnung wartete die Sonne auf dem Gipfel. Für das kickitaly team waren die Ankünfte bei solchen Etappen fast schon Routine, für uns aber ziemliche Euphorie.
Im Schlepptau mit dem Tross fanden wir das richtige Camping natürlich und wollten uns nach dem Aufbau der Zelte noch Verpflegung besorgen – das ging aber nicht, denn der Keilriemen unseres fantastischen Espace rutschte von den Rollen und lag im Motorraum – Katastrophe! Erste Rettungsversuche fruchten nicht und dank dem kick italy team und Vincent Grooiker sowie Niklas Rother konnte zumindest Jurek und ich in die 15. Etappe antreten – Guido blieb leider mit seinem Auto zurück.

Etappe #15: Veldengo – Bergamo 199km 2200hm
Ohne eigenes Begleitfahrzeug fiel unser Antritt in die Etappe stressig aus und zuerst war unklar, ob es überhaupt genug Transferplätze zum Start gibt, geschweige denn, ob es in einem Auto Platz für unsere Kiste gibt. Nachdem auch diese Etappe auch nicht zu den Prestigeträchtigen gezählt wurde, waren wir die einzigen Gäste über die gesamte Distanz und so ging das irgendwie. Die ersten Kilometer waren flach und im Sonnenaufgang war es richtig kitschig und zwischendurch bekam ich Rollerunterricht von Václav Liška
Einmal verfuhren wir uns auf eine Schotterpiste und für einige Zeit begleitete uns auch Maria Turra, die für Jurek und mich dann auch Wasser, Bananen und Cola im Begleitfahrzeug deponierte – nochmal Danke!
Ab Zogna ca. km150 – wurde die Landschaft sehr viel interessanter und die Strasse ein Rollertraum. Besonders eine einspurige, giromässig geschmückte Brücke blieb mir in Erinnerung – am liebsten wäre ich die Passage nochmal gefahren. Von da an ging es recht steil hinauf – zuerst etwa 600hm auf den Miragolo San Salvatore , dann eine kurze Abfahrt, die Eurosport in der Darbietung von Vincenco Nibali als Lehrvideo für Abfahrtstechnik verwendet und dann noch auf den 948 Meter hohen Salvino. Die Bergankunft wurde mit einer Rast und einer Gelegenheit sich für die lange Abfahrt anzuziehen verknüpft. In Bergamo führte die Strecke noch über die gepflasterten Straße der Festung zum Ziel… Mit Niklas wollten wir die Zielankunft mit einem Eis feiern, aber es gab irgendwie keines – schade, aber auch egal.

Bergamo – Salzburg – Wien

Noch während der Etappe fragt ich per sms noch bei unserer Tretrollerkollegin Juliane an, ob Sie uns aus Bergamo abholen und damit retten könnte. Laut elektronischer Auskunft wäre die Reise öffentlich ein Horror. Vom Espace zum Peugeot 207, mit dem Juliane ankam, ist es ein Dimensionsprung und Sachen die wir nicht mehr hinein-stopfen konnten, nehmen mit Vincent den kleinen Umweg über Holland. Auf jeden Fall DANKE!

 

 

Crossing Cyprus 2017
vom Bad der Aphrodite bis zum Kloster des Apostels Andreas
Zypern ist die drittgrößte Insel des Mittelmeers und nach einem Putsch in der Mitte der  70iger Jahren, in einen griechischen und einen türkischen Staat geteilt. Nikosia ist die letzte Hauptstadt Europas, durch die eine Grenze verläuft. Das Vorhaben der internationalen Gruppe an Tretrollerfahrern war die grenzüberschreitende Überfahrt vom westlichsten zum östlichsten Punkt – nonstop – und so schnell als möglich. Die Idee für die symbolische Fahrt von Menschen, die alle aus Staaten stammen deren Geschichte durch Teilung und Isolation geprägt ist, entstand gemeinsam mit der Agentur Side-tour und mit Unterstützung der NGO POST RI Cyprus und von offiziellen Stellen.

(c) Jiří Sejkora

(c) Jiří Sejkora

Die Gruppe besteht aus Elleonor Michaela Csekany und Martin Komar aus Tschechien,  Niklas Rother aus Deutschland, Jurek Milewski, Guido Pfeiffermann und David Pašek aus Österreich. Begleitet wurde das Unterfangen von Jiri Seykora vom Denik Pardubice als Journalist und Fotograf.
In kluger Voraussicht wurde die Aktion mit einem Tag zeitlichem Vorlauf und Nachlauf geplant um den Sportlern auch die Akklimatisation zu ermöglichen. Dabei überraschte die Athleten nicht nur der Linksverkehr, ein Erbe der Zeit als Zypern eine englische Kolonie war, aber auch die liberale und entspannte Lebensweise. Organisatorisch war von Franz Bauernhofer, dem Initiator der Fahrt an alles gedacht worden. Am Samstag hatten wir Gelegenheit einen Eindruck von Nikosia zu gewinnen und konnten im Rahmen einer Pressekonferenz Tretroller erklären. Auf Türkisch ist  das ein Ayak Bisiklet. Das Interesse ging so weit, dass demnächst ein Roller nach Zypern versandt wird und die Aktion “Crossing Cyprus 2017” auf die Titelseite der auflagenstärksten lokalen Zeitung kam.

(c) Jiří Sejkora

Pressekonferenz in Nikosia (c) Jiří Sejkora

Wegen des früh angesetzten Starts durch Transfer und Zeitverschiebung ging es nach einem recht feierlichen Abendmahl mit Blick auf das Meer und den letzten Vorbereitungen früh zu Bett.
Um am Ostersonntag um 6:00 starten zu können fuhr der Kleinbus um 4:00 vom Hotel weg um das Team am westlichsten  Stück Asphaltstraße – beim Bad der Aphrodite im griechischen Teil der Insel – abzusetzen. Mit Sonnenaufgang ging es los und ab dem Start kämpfte Ella mit der hinteren Bremse Ihres Rollers. Gentleman und sicher stärkster Athlet der Expedition,  Niklas Rother,  überließ Ihr seinen handgefertigten Roller aus Karbon und fühlte sich am gelben  Kickbike an seine Jugend erinnert. Nach einem ersten Defekt bei Martin begann der Aufstieg durch das Troodosgebirge. Eine spektakuläre Berglandschaft mit Steigungen bis zu 12%. Als Grenzgebiet wird der Bereich aber militärisch streng  bewacht und um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen, hielten wir uns mit der Dokumentation zurück.

(c) Jiří Sejkora

(c) Jiří Sejkora

Der Übergang an der griechischen Grenze kostete unerwartet Zeit, denn statt wie abgemacht, einfach durchgewunken zu werden, standen die Tretrollerfahrer ohne Pässe am Grenzbalken. Der Grenzbeamte fand es ehh ganz schrullig, aber Pflicht ist Pflicht. Das Niemandsland hat eine Breite, wie  es manche von uns  vom eisernen Vorhang kennen und die Einreise nach Nordzypern ging fix. Von da an wurden die Tretrollerfahrer mit Polizeieskorte bis ans Ziel begleitet, wobei die Fahrzeuge jeweils an den Bezirksgrenzen abgewechselt wurden.

Schon am späten Vormittag erreichte das multinationale Team die Messaria Ebene und die Temperatur stieg spürbar an und es gab auch auch leichten Gegenwind.

(c) Jiří Sejkora

(c) Jiří Sejkora

Pausen wurden am Straßenrand eingelegt um Kalorien und Flüssigkeit zu ergänzen – jeweils so kurz als möglich, aber zu sechst dauerte es immer länger als erhofft. Schon vor Hälfte der Distanz stellten sich bei manchen die ersten Krämpfe in den Beinen ein, denen mit Salz und Magnesium begegnet wurde.

Das Begleitteam folgte der Gruppe mit dem Auto und führte den live-blog und kümmerte sich um die Bedürfnisse jener, die am Trittbrett standen. In Summe etwa 60 Bananen, große Mengen an Halumi, 40 Liter Wasser und mit zunehmender Dauer der Fahrt auch Cola.

(c) Jiří Sejkora

(c) Jiří Sejkora

Gegen Osten durchquerte die Gemeinschaft nach und nach weniger bewohntes Gebiet, das landschaftlich viel zu bieten hatte: die Route führte am Fuße des Kyreniasgebirge, als auch Fünffingergebirge bekannt.  Es ging im welligen Terrain dahin und als zu dämmern begann, erklärte das Support Team jede Steigung für die jeweils  letzte Nennenswerte. Bei einem Stand von 1600 Höhenmetern am gps – Tacho konnten sich die Fahrer nicht vorstellen, dass es bei dem Profil, das vor Ihnen lag, noch viel mehr wird, aber man kann sich ja auch ordentlich täuschen: die Route querte den Gebirgszug und führte an der Südküste gegen Osten.

Für die Nacht gab es von der Polizeieskorte exakte Anweisungen, in welcher Formation gefahren werden soll, um die Sicherheit am Besten gewährleisten zu können und um die Verschiedenartigen Vorder- und Rücklichter am Besten einzusetzen. Niklas ist überhaupt davon ausgegangen, dass wir bei Tageslicht unser Ziel erreichen, weshalb er sich vorne nur mit einem Positionslicht ausgestattet hat – aber in der Mitte des Pelotons war er sicher und sah auch genug.
In absoluter Dunkelheit und einige dutzend Kilometer vor dem Ziel wurde intern verhandelt, wo das tatsächliche Ziel sein soll: entweder in der letzten Ortschaft oder tatsächlich am Kloster des heiligen Andreas, zu dem nur eine schlechte Straße führt, deren Asphalt sich schon gänzlich aufgelöst hat. Aber wenn schon – denn schon – es war klar, dass die lange und konsequente Route jene war, die zur Expedition passt.

(c) Jiří Sejkora

(c) Jiří Sejkora

Tatsächlich war die Straße immens schlecht und die Unterseiten  der Trittbretter streiften alle paar Meter und es wurde ein langer finaler Test für die Tretroller: alle Reserveräder waren schon verbraucht und die Polizeieskorte mit Blaulicht verlor sich irgendwo in der Ferne in der Dunkelheit. Im Dunklen lag auch das Meer und nur Geruch und Schilder die verschiedene Strände anpreisen, verraten den erschöpften Sportlern die Tatsache. Angeblich leben um das Kloster Apostolos Andreas, wilde Esel – aber die wurden in dieser Nacht nicht gesichtet.

Nach 16h 45min erreichen alle , die sich an den Start gestellt haben auch das Ziel. Erschöpft aber glücklich fallen sich Athleten und Betreuer in die Arme – erstmals wurde Zypern  mit dem Tretroller von West nach Ost  durchquert – 275,4km und 3063hm. 16,4km/h ist der Schnitt über die gesamte Zeit – in Bewegung ergibt sich der beachtliche  Schnitt von 19,2km/h. Hier die gps Aufzeichnung.
Am Tag nach der Fahrt wurde die Regeneration ganz ernst genommen – und an der zypriotischen Küste und mit der zypriotischen Küche geht das besonders gut.

(c) Jiří Sejkora

(c) Jiří Sejkora