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Die 4. Auflage des einzigen Crossroller-Etappenrennens der Welt an der tschechisch-slowakischen Grenze ist soeben über die Bühne gegangen. 41 Starter:innen schickt die Organisation unter Mastermind Honza Vlašek auf die Suche nach einer „normalen Welt“ – stellt die Teilnehmer:innen aber vor absolut nicht normale Herausforderungen!

Prolog
Der Startort ist bekannt – am Nachmittag treffen alle mehr oder weniger pünktlich ein – ein Prolog gibt einen kleinen Vorgeschmack auf den kommenden Tag: Auf 3,5 km geht es zunächst einen sehr steilen Hang hinauf, bei dem einige Baumstämme zu überklettern sind. Oben angekommen denkt man, dass man die Abfahrt locker genießen kann, doch nach einer kurzen Verschnaufpause stellt man fest,, dass die erste Kurve schon ein Morast ist und das der Waldweg in einem sehr schlechten Zustand ist: kreuz und quer durchfurcht und gatschig!

Erste Etappe – ins unbekannte Ziel
Am Samstag in der Früh soll die erste Etappe in das „unbekannte Ziel“ um 8:30 starten. Die Regentropfen trommeln aber dermaßen stark herab, dass sogar Honza Vlašek, dem so etwas besonders gut gefällt, Erbarmen hat und den Start auf 9:00 verlegt. Der Regen lässt etwas nach – aber die Regenfront zieht kalte Luft hinter sich her. Mir ist völlig unklar wie die Kolleg:innen, die sich entschieden haben in kurzer Hose und Trikot zu fahren nicht erfroren sind. Der erste Aufstieg führt auf „Velká Javořina (970m)“ mit einem kurzen Abstecher in die Slowakei. Über der Waldgrenze verschwinden die Rennfahrer vor mir im Nebel – auf der kurzen Asphaltabfahrt dahinter muss ich etwas langsamer fahren, weil mir die Regentropfen in die Augen peitschen. Honza Vlašek hat beim Tracking ganze Arbeit geleistet und Asphalt und Ortschaften so gut wie möglich gemieden. Machen wir uns nichts vor – über weite Strecken muss der Roller geschoben werden und auch die Abfahrten sind meist das Gegenteil von Erholung. Die Gegend ist sehr lehmig und wenn es regnet, wird daraus ein klebriger Schlamm, der alles verklebt – in meinem Fall das Hinterrad mit dem Schutzblech. Bei Gelegenheit habe ich versucht, ihn abzuwaschen – aber das war eindeutig die falsche Strategie. Ich hatte Glück, bei anderen klebte die Vorderradgabel, was unweigerlich zu Stürzen führte.
Wie aus einer anderen Welt erreichte „Marčano“ Martin Brož mit einer Zeit von 5:34h das unbekannte Ziel in Dešná vor Vašek Obertlik und Martin Kadlec.
Schnellste Frau war Michaela Rosová (SVK) vor Marketa Štefaniková und Barbora Horsaková. Die Heldinnen des Tages waren zweifellos Veronika Špacilová und Bára Doležalová, die 13:38 Stunden auf der Strecke verbrachten und bei völliger Dunkelheit ins Ziel kamen.
Nach 6:47h beendete ich die ca. 72km und 2.260hm als 13.

Den Abend verbrachten wir mit der Frage nach dem Sinn des Ganzen und dem Versuch, uns auf den nächsten Tag vorzubereiten. Mit einem Hochdruckreiniger wurden die Unterschenkel, Schuhe und Roller gereinigt.
Ladislav Bartuněk hatte alle Hände voll zu tun, um die technischen Probleme der Roller nach diesen Strapazen in den Griff zu bekommen.

Zweite Etappe
Für Samstag war trockenes warmes Wetter angesagt – eine echter Hoffnungsschimmer für die kommende Herausforderung. Diese war aber wieder fett: mit 64km etwas kürzer aber 2.153hm waren zu überwinden. Es ist unglaublich wie steil die Aufstiege in so einer lieblichen Landschaft sein können. Ein Strava-Segment dass wir zu Beginn absolvieren heißt „Monte Vražda“ – also „Monte Mord“.
Völlig verdreckt erreichen wir den Walfahrtsort „Svaty Hostýn“ und mischen uns zwischen die Pilger – zum Glück habe ich eine Glocke am Crossroller 😉
Im Video zum ersten Etapak sagt Robert Srb „eine Steigung, die wir nicht derschieben habt Ihr noch nicht gefunden“ – das wurde diesmal widerlegt – und die Latte liegt ab sofort höher: „den Hang auf den wir den Tretroller nicht hinauftragen können habt Ihr noch nicht gefunden“… und diesem Hang folgt auch eine entsprechende Abfahrt. In einer Linkskurve lenke ich auf Schotter nicht beherzt genug ein und es haut mich auf – zum Glück recht glimpflich. Ich bin in jeder Abfahrt baff erstaunt wie schnell die Mitstreiter auf diesen Wegen abfahren können.
Die zweite Etappe gewinnt Martin Kadlec in 5:28h vor Martin Brož und Marian Kdyr bei den Herren und Marketa Štefaniková in 6:48 vor Michaela Rosová (SVK) und Barbora Horsaková.
Die Strecke zu bewältigen dauert in meinem Fall 6:28h, und ich erreiche das Ziel als 13. fix und fertig.

Am Abend gibt es endlich das obligatorische Lagerfeuer mit den Tramps-Songs, die die Tschechen alle kennen und die für viele die Hauptmotivation sind, an dieser Veranstaltung teilzunehmen.

Dritte Etappe – der Weg nach Hause
Die Wettervorhersage sah einen trockenen Tag vor – als ich aufwache höre ich verdächtige Geräusche und Frage mich, ob es so windig ist. Ein Blick aus dem Fenster verrät es aber: ein Sturm zieht über uns hinweg – also getrübte Aussichten auf einen Tag, der vor der Befürchtung geprägt war, es rechtzeitig zur Abschlusszeremonie um 16:00 zu schaffen. Einige starten schon im Morgengrauen, zwei Leute fahren lieber mit dem Zug zurück als sich über 72km einen solchen Sägezahn an Höhenmetern zu gönnen. Die Etappe erweist sich aber als etwas schneller – es gibt mehr Abschnitte, die man kicken kann und Abfahrten in denen man auch Meter machen kann. Nicht die gesamte Strecke hat eine Regenspende erfahren – also hält sich das Problem mit dem klebrigen Gatsch in Grenzen. Nichts desto trotz gibt es sehr technische Abfahrten. Auf einem Abschnitt in dem ich mir gedacht habe, dass es gerade gut läuft – haut es mich im Gatsch wieder auf. Im ersten Moment glimpflich aber jetzt schmerzt es. Ins Ziel führt es ca. 5km leicht bergauf auf Asphalt ins Ziel – und das kann sich ziemlich ziehen.
Die dritte Etappe gewinnt Tomaš Pelc in 5:03 vor Martin Brož und Karl Cvalin, der die ganze Zeit mit technischen Problemen zu kämpfen hatte. Bei den Frauen bleibt die Reihenfolge unverändert: Marketa Štefaniková in 6:02 vor Michaela Rosová (SVK) und Barbora Horsaková.
Auf der letzten Etappe wurde ich 14. mit einer Zeit von 5:54h.

Gesamtergebnis
Dieser Etapak schreibt Geschichte: „Marčano“Martin Brož, der die Grafik der Veranstaltung gestaltet, hat seinen kürzlich verstorbenen Hund „Darouš“ zum Patron der Tretrollerfahrer ernannt. Dieser hat im scheinbar die Kraft gesandt, um die Veranstaltung ein erstes mal in der Zeit von 16:22:39h zu gewinnen – vor Tomaš Pelc und Martin Kadlec.
In der Damenkategorie bestätigen sich die Tagesergebnisse: Marketa Štefaniková in 20:37:55h vor Michaela Rosová (SVK) und Barbora Horsaková.
Ergänzend gibt es die Wertung Veteran Men – und da wiederholt sich das letztjährige Ergebnis Vaclav Bořik Houska in 18:43:11 vor mir, David Pašek (AT) und vor Rodger Hulsebos (NL) der sich fast in einem Fotofinish um nur 4 Sekunden vor Peter Holub durchsetzen konnte.
Eine spezielle Heldin wurde Veronika Špacilová – als Letzte in der Wertung hat sie 32:27:45h auf der Strecke verbracht.

Für mich recht überraschend, konnte ich mich als 12. platzieren – in einer Zeit von 19:29:38h – nicht nur als schnellster Österreicher – aber auch als schnellster „Nichttscheche“.

Parallel zur Einzelwertung gibt es eine Teamwertung, die Ihr in der Ergebnisliste studieren könnt.

Die kommende Ausgabe 2025 wird voraussichtlich die letzte sein und Honza Vlašek versprach, dass es vielleicht etwas leichter werden wird – damit mehr Kraft für soziale Aktivitäten am Feuer bleibt.Die vakanten Startplätze sind aber rar – wer schon einmal dabei war, hat Vorrang.

https://www.facebook.com/etapakcilneznamy

Fotos (c) Rodger Huelsebos / David Pašek / Etapák – cil neznamý



„…auf allen Wegen auf der Suche nach der normalen Welt…“

Zum dritten Mal fand vom 11. bis 14.Mai das einzige Crossroller Etappenrennen der Welt statt:der Etapak. Jedes Jahr werden in einer anderen Region Tschechiens ein Prolog und drei Etappen durch die Landschaft gezogen. Diesmal insgesamt knapp über 200km und 5000hm möglichst abseits der Zivilisation und auf unbefestigten Wegen und Pfaden. Diesmal fand die Veranstaltung Mitte Mai in der Gegend um Karlsbad statt und obwohl es in fast ganz Europa regnete, blieb es just in dieser Gegend trocken. Jeder Etapak ist auch eine landschaftliche Entdeckung und weckt den Wunsch auch außerhalb einer Rennsituation wiederzukehren.

Es wird gemeinsam gestartet, aber jeder Teilnehmer hat kurz vor der Veranstaltung eine Sammlung an gpx-Dateien bekommen und ist für die Navigation selbst zuständig. Als Faustregel kann gelten: ist auf einer Abzweigung eine Variante steiler und gatschiger – dann ist man richtig. Kommt man zu einem Bach ohne Brücke oder Steg, dann hat man sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht verfahren.

Das Starterfeld war heuer so international wie noch nie – neben den vielen Tschech*innen waren auch einige Slowak*innen am Start, sowie je ein Vertreter aus Belgien, Großbritannien, Holland, Deutschland und schon traditionell aus Österreich.

Das Besondere am Format eines Etappenrennens ist, dass auf der einen Seite eine gemeinsame Geschichte geschrieben wird und dass andererseits auch jeder seine eigene Geschichte schreibt. Ambitionen auf die Gesamtwertung erheben mit realistischer Einschätzung nur wenige – die Favoriten sind bekannt – aber jeder und jede hat individuelle Ambitionen und Ziele: Es handelt sich dabei um keine fixen Größen, sondern um Vorstellungen, die dynamisch den Möglichkeiten und Schwierigkeiten angepasst werden. Euphorie und Verzweiflung wechseln auf der Strecke laufend – und die Erlebnisse müssen am Abend bei einigen Bieren reflektiert werden. Fixer Bestandteil und Highlight ist das gemeinsame Musizieren – heuer wegen der Wetterlage leider ohne Lagerfeuer.

Einer der soliden Favoriten ist Kaja Cvalin (CZ) , der heuer am Start festgestellt hat, dass sein Stahlroller gebrochen ist, und er mit einem Leihroller antreten musste. Das war aber für ihn kein Hindernis, seine Gesamtzeit betrug 13:56h und er dominierte die Gesamtwertung vor Martin „Marčáno“ Brož (CZ) , der neben der Rolle als Rennfahrer einen Teil der Organisation übernahm. Dritter wurde Vojta Hruza (CZ) , der in Abfahrten seine Stärken ausspielen kann. Manchmal ist er bis zur Hälfte der Etappe weiter hinten, um dann unnachahmlich zu beschleunigen und aufs Podest zu fahren.

Ein Phänomen ist der in der Kategorie Veteran startender Václav Bořík Houška (CZ), der von Jahr zu Jahr besser wird und wie eine Maschine die Strecke abspult. Seit er die Navigation beherrscht, kann ihn nichts stoppen – und neben dem Sieg in der Kategorie belegte er 2023 auch den sechsten Gesamtrang.
Völlig unverständlich bleibt, wie Marián Lenčes (SK) mit seinem selbst gebauten Karbontretroller „Goliath“ durch so eine Art Terrain pflügen konnte. Wegen der Rahmengeometrie vermeidet er möglichst in den Abfahrten zu lenken. In der letzten Etappe war er voll motiviert und belegte den 12 Rang – gesamt wurde er 23.

Es ist schön, dass dieses Format auch sechs Damen zur Teilnahme inspiriert hat. Michaela Rosová (SK) hat sich den Gesamtsieg gesichert, konnte sich aber nie ganz sicher sein, denn Kamila Šrolerová (CZ) hat um jeden Meter und jede Sekunde gekämpft.

Obwohl der Tretrollersport in Tschechien eine wesentlich breitere Basis als überall anderswo auf der Welt hat, handelt es sich auch da um eine Randsportart. Die Tatsache, dass es so viele Veranstaltungen gibt, ist von der Begeisterung der Aktiven getragen und von der Bereitschaft so manch Angehöriger dies auch zu unterstützen. Schon für eintägige Aktion ist das ein gewaltiger Aufwand – und eine mehrtägige Aktion potenziert den Aufwand. Großer Dank gebührt also dem fantastischen Organisationsteam: Honza Vlášek, als hauptverantwortlicher Erfinder der Aktion, Organisator und Filmcrew, Martin „Marčáno“ Brož, als Wächter über den Geist der Veranstaltung und verantwortlich für die Grafik, Ladislav Bartůněk als Zeitnehmer, IT und Logistikverantwortlicher sowie Mechaniker für die Probleme der Tretroller aller Teilnehmer:innen und Tomáš Pelc als Experte für gps und neu auch als Fotograf.

Auch 2024 soll es einen Etapak geben – die vakanten Startplätze sind aber rar – wer schon einmal dabei war, hat Vorrang.